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Return on Investment:

Besinnung auf betriebswirtschaftliche Grundprinzipien bei Software-Investitionen

Insbesondere der mittelständischen Industrie Unterstützung zu geben, an strategischen Stellen ihrer Supply-Chain Verbesserungen einzuführen und im Vorfeld die kompletten Investitions- und Betriebskosten für neue betriebs- wirtschaftliche Anwendungssoftware im Blick zu haben, forciert die Berliner PSI AG. In Kooperation mit dem Institut für Wirtschaftsinformatik der Humboldt-Universität hat das drittgrößte unabhängige deutsche Softwarehaus ein umfas- sendes neutrales Beratungs-, Analyse- und Leistungsangebot im Sinne von Geschäftsprozessmanagement und Potentialanalysen auf Basis des Supply-Chain-Operation-Reference-Modells (SCOR) erarbeitet. Damit können neben quantitativen Merkmalen auch die Qualität der Geschäftsprozesse und die Performance einer Supply-Chain konkret gemessen werden [1].

ROI

Foto: Siemens

Ratlosigkeit und Unzufriedenheit sind die ersten Vorbedingungen des Fortschritts (Thomas Edison). Dies gilt insbesondere für den schwierigen Nachweis des wirtschaftlichen Nutzens bei der Einführung neuer betriebswirtschaftlicher Standardsoftware-Systeme mithilfe zeitgemäßer Return on Investment-(ROI)-Konzepte. Letztlich geht es darum, ein Ziel zu definieren, es zu erreichen und dann weiter nach vorne zu blicken und den nächsten Schritt zu tun. In den zurückliegenden Boomzeiten um den Jahrtausendwechsel wurden oftmals auf Grund des Zeitdrucks unmotiviert oder überstürzt Wert schöpfende Softwarelösungen wie Enterprise-Resource-Planning-(ERP)- und Warehousemanagement-Systeme beschafft, die preislich überzogen waren und von der Leistungsfähigkeit her keinesfalls den Erwartungen entsprochen haben. Trotz erheblicher Gesamtinvestitionen in ein neues IT-System, die für ein mittelständisches Unternehmen über einen Abschreibungszeitraum von fünf bis sechs Jahren bereits in Millionenhöhe zu Buche schlagen, blieb der Erfolg im Sinne von zusätzlichem Nutzen aus. Damit war gleichzeitig eine neue Aufgabenstellung für Wissenschaft und Industrie gegeben, effektivere Wege bei der ROI-Berechnung von Software-Implementierungen einzuschlagen.

Der Einfluss knapper Kassen

Heute findet unter dem Einfluss knapper Kassen wieder eine Besinnung auf betriebswirtschaftliche Grundprinzipien statt. Die Anwendung von Kosten-Nutzen-Analysen ist daher ein Weg, um zu Aussagen hinsichtlich des Sinns oder Unsinns von Investitionen zu kommen. Grundlage dafür sollten immer Kostenanalysen für die Anschaffung und den laufenden Betrieb sein. Zunächst stößt man in der Praxis auf die Größe „Total Cost of Ownership (TCO)“. Oftmals reichen diese Betrachtungen bei „niederpreisigen“ Investitionen mit erwarteter kurzfristiger Wirkung bereits aus. Wenn aber große Investitionen ins Haus stehen und u.U. das gesamte Unternehmen betroffen sein wird, sind Kosten-Nutzen-Betrachtungen bzw. Return on Investment-(ROI)-Analysen unerlässlich. Dabei geht es vor allem um mittel- bis langfristige Wirkungen. Die Anschaffung Wert schöpfender IT-Lösungen trägt einen strategischen Charakter. Unternehmen binden sich mit der Investitionsentscheidung zehn Jahre und länger an einen Applikationsanbieter. Daher ist im Vorfeld eine umfassende Betrachtung des Business-Case notwendig.

Den konkreten Nutzen im Blickpunkt

Die Softwareindustrie ist mittlerweile dazu übergegangen, bei der ROI-Messung nicht mehr ausschließlich auf nackte Zahlen zu setzen. Neben den quantitativ messbaren Dingen wie Durchlaufzeiten, Kapitalbindung oder Umschlagquoten am Lager rücken verstärkt auch schwerer messbare qualitative Momente in den Blickpunkt. Studien wie u.a. die „Benefit Focus in IT Enabled  Transformations“ (BeFITT), durchgeführt von Prof. Martin an der Fachhochschule Konstanz, haben ergeben, dass der konkrete Nutzen einer neuen Softwarelösung zu einem Großteil erst deutlich nach der Implementierung bzw. der Einführung zu realisieren ist. Eine weitere empirische Studie ergab eine Dauer von 31 Monaten, bevor der Systemnutzen realisiert werden kann [2]. Der Reifegrad (engl. Maturity) der Software ist somit entscheidend für die Nutzenbewertung. Dieser zeitliche Verzug wird durch Lern-, Erfahrungs- und Anpassungsprozesse verursacht. Rund 50 Prozent der qualitativen Nutzenkomponenten machen sich erst nach der Einführung eines Systems bemerkbar. Dies deckt sich mit den Erfahrungen der Applikationsanbieter. Am Anfang steht meist das Tagesgeschäft, die eigentliche Wertschöpfungsphase erfolgt in der auf die Implemention nachfolgenden Optimierung.

Das Gold liegt in den Geschäftsprozessen

Das größte Potential für den Return on Investment, also dem monetär bewerteten Nutzen einer Software-Investition, liegt daher in der Optimierung der internen und zunehmend auch der unternehmensübergreifenden Geschäftsprozesse. In den Kerngeschäftsprozessen der Unternehmen liegt ein großes Potential. Quantitativ messbare Ergebnisse wie Verkürzung der Durchlaufzeiten, Senkung der Materialbestände, erhöhte Liefertreue, Senkung der Prozesskosten usw. hängen zu einem großen Teil an der Qualität der Prozesse und damit an qualitativen Nutzenkomponenten. Bei deren Qualität spielen schließlich Attribute wie Wiederholbarkeit, Transparenz, Flexibilität und Zuverlässigkeit eine herausragende Rolle.

Experten aus der Softwareindustrie wie Karl Tröger, Leiter Produktmarketing bei der Berliner PSI AG, raten daher den Unternehmen bei Einführung eines neuen ERP-Systems die Gelegenheit beim Schopfe zu greifen, gleichzeitig sowohl die internen Abläufe als auch die Beziehungen zu ihren Lieferanten und Kunden genau zu durchleuchten. Im Laufe der Jahrzehnte entstehen viele Strukturen, die den heutigen Anforderungen an eine flexible und effiziente Organisation nicht mehr genügen. In der Optimierung dieser Geschäftsprozesse, wie der Straffung von Durchläufen, der Vermeidung von Verschwendung im Produktionsprozess und in dem gesamten Gedankengut von Leanmanagement und Leanproduction etc., liegt das ‚eigentliche Gold’ bzw. Einsparungspotential, sozusagen der Ansatzpunkt zeitgemäßer ROI-Konzepte. Die Entscheidungsgrundlage für eine neue ERP- oder Software-Investition sollte daher davon geprägt sein, ob das favorisierte IT-System in der Lage ist, die Prozesse eines Unternehmens so flexibel abzubilden, dass man mit bestem Wissen und Gewissen auch in eine unbekannte Zukunft gehen kann. Als entscheidende Größe einer ROI-Berechnung, an der sich in der Praxis oftmals die Geister scheiden, gilt allgemein die zugrunde liegende mathematisch-wissenschaftliche Methodik. So setzt das Berliner Softwarehaus bei seinem neuen Leistungsangebot systemunabhängiger Beratung auf das Supply-Chain-Operation-Reference-Modell (SCOR) des Supply Chain Council [3], einer internationalen Non-Profit-Organisation mit über 1.000 Unternehmensmitgliedern aus verschiedenen Branchen.

Das SCOR-Modell

Das vierstufige Referenzmodell SCOR konzentriert sich zunächst auf Kernabläufe entlang der Wertschöpfungskette eines Unternehmens: die Beschaffung, die Produktion, die Lieferung inkl. der entsprechenden Rücklieferungsprozesse zu den Lieferanten und deren Lieferanten bzw. zu den Kunden und deren Kunden. Dazu kommt ein übergeordneter Planungsprozess, der normativ auf die entsprechenden konkreten Einkaufs-, Produktions- und Verkaufsprozesse wirkt. Das ist zunächst eine ganz normale Lieferkette, wie man sie aus dem Unternehmen kennt. Das Modell bietet auf mehreren Ebenen hierarchisch aufgebaute Kennzahlen zur Performanzmessung eines Unternehmens. Diese Kennzahlen sind auf jeder Ebene in die kundenorientierten Kategorien Zuverlässigkeit, Reaktionsfähigkeit, Flexibilität und die unternehmensinternen Kategorien Kosten und Bestände/Anlagen gegliedert. Kennzahlen einer untergeordneten Ebene können zur nächsthöheren Ebene aggregiert werden. Auf der obersten Ebene werden in den fünf genannten Kategorien 13 Kennzahlen definiert, wie z.B. die Auftragsdurchlaufzeit, Kapitalbindung oder Umschlagshäufigkeit. Für diese standardisierten Kenngrößen gibt es zuverlässige Vergleichswerte aus verschiedenen Branchen [4]. Somit ist ein Vergleich der eigenen Wertschöpfungskette mit Branchenstandards möglich.

Drei verschiedene Fertigungstypologien

Auf der darunter liegenden zweiten Ebene werden drei verschiedene Fertigungstypologien unterschieden: „Make to Order“ für die auftragsbezogene Fertigung, „Engineer to Order“ für kundenspezifische Fertigung und Projektfertigung wie z.B. im Anlagenbau und „Make to Stock“ für die Konsumgüterproduktion und Serienproduktion z.B. in der Automobilzulieferindustrie. Diese Ebene erfasst in den herangezogenen Metriken und Performance-Attributen die Qualität und die Performance der gesamten, unternehmensspezifischen Lieferkette. Die verschiedenen Branchen-Anforderungen und Fertigungstypen sind in der Praxis nur schwer zu vergleichen. Ein Anlagenbauer beispielsweise, der 20 oder 30 Angebote pro Jahr abgibt, um fünf oder sechs Aufträge zu bekommen, hat vollkommen andere Anforderungen an die Abwicklung der Lieferkette als ein Serienfertiger, der evtl. 2.000 Angebote mit insgesamt 20.000 Positionen schreibt, aus denen schlussendlich 500 Aufträge resultieren. Die Aufschlüsselung der Ebene 1 Metriken in Ebene 2 und 3 Kennzahlen ist daher nicht standardisiert und muss individuell auf die Prozesse und Fertigunstypologien eines Unternehmens angepasst werden.

Auf der wiederum darunter liegenden dritten Ebene werden, entsprechend der Typologie, abstrakte und allgemein gültige Prozessketten für die Prozessabschnitte Einkauf, Produktion und Verkauf gefasst. Auf Ebene drei wird das Modell weiter aufgegliedert und um entsprechende Metriken, Performance-Attribute und ‚Best Practices’ ergänzt. Insgesamt definiert das SCOR-Modell über 200 Kennzahlen, die für die Erfolgsmessung genutzt werden können. Nach den ersten drei Stufen durch die Organisation folgt schließlich die vierte Ebene der Implementierung, auf der die konkreten Prozessketten eines Anbieters dargestellt werden. Letztlich werden dort sowohl die Messbarkeit sichergestellt und die Implementierung eines Systems oder einer IT-Gesamtlösung durchgeführt als auch die Geschäftsprozesse danach neu ausgerichtet.

Kein Unternehmen ist wie das andere

In dem mehrstufigen Ablaufmodell werden zunächst der sog. Ist-Zustand eines Unternehmens und dessen Prozesse erfasst und bewertet. So kann beispielsweise bereits die Erfassung der genauen Anzahl von Bestellungen innerhalb der Wiederbeschaffungszeit tiefer liegende Probleme in der Lieferkette zu Tage befördern. Wenn es beispielsweise nicht gelingt, termingerecht beim Vorlieferanten zu bestellen, darf man sich nicht darüber wundern, wenn das Material zu spät kommt und ganze Produktionsketten in Verzug geraten. Anhand der Metriken und Kennzahlen zur Performance-Bestimmung eines Unternehmens lassen sich jetzt Verbesserungspotentiale aufzeigen und die Implementierung eines neuen IT-Systems an diesen Schwachstellen entlang ausrichten. Es kommt daher entscheidend darauf an, wie die Einführung eines neuen IT-Systems auf die konkreten Anforderungen des Zielunternehmens zugeschnitten ist. Nur auf diese Weise lassen sich zusätzliche Nutzenpotentiale realisieren. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass kein Unternehmen wie das andere ist. Das mehrstufige Ablaufmodell ist zunächst sehr allgemein gehalten. Die Unternehmen sind jedoch in der Praxis, was den Reifegrad in bestimmten Prozessabschnitten angeht, sehr unterschiedlich. Deshalb kommt es bei der konkreten Prozessrealisierung darauf an, ein umfassendes Gesamtpaket an flexibler Unterstützung aus Beratung, individueller Analyse und einem IT-Tool zu schaffen.

Ausblick

Oftmals stand bei Softwareinvestitionen in den zurückliegenden Jahren noch die reine Kostenreduktion im Vordergrund. In diesen Fällen sprechen Experten von einem reaktiven ROI. Wenn aber eine konkrete Wachstumsaussicht besteht, das Unternehmen also expandieren möchte, kommt immer mehr die langfristige strategische Komponente zum Tragen. Deshlab verfolgt das Unternehmen PSI für die Implementierung seines hauseigenen ERP-Systems PSI-penta.com derzeit eine Doppelstrategie, bestehend aus quantitativen Kostenparametern und qualitativen Nutzenanalysen. Als Faustformel für eine zukunftsorientierte Return on Investment-Strategie empfiehlt das Berliner Softwarehaus  den Anwendern jedoch, einen nicht ausschließlich reaktiven Einspar-Ansatz zu verfolgen, sondern die bestehenden Kosten besser zu verwenden, um insgesamt mehr Nutzen zu erzeugen und die Prozesse zu optimieren.

Anmerkungen:

[1] Vorliegende wissenschaftsjournalistische Arbeit basiert auf einem Intensivinterview in Frankfurt am Main mit Karl Tröger, Leiter Produktmarketing PSI AG, Berlin, und der wissenschaftlichen Fachberatung von Prof. Oliver Günther, Leiter des Instituts für Wirtschaftsinformatik an der Humboldt-Universität Berlin.

[2] Hitt, L., Wu, D.J. & Zhou, X., “ERP Investment: Business Impact and Productivity Measures“, 2001

[3] SCOR “Supply Chain Operations Reference–model SCOR“ (Präsentation), Supply Chain Council, Juni 2003

[4] PRTM, SCOR Level 1 Benchmarks from The Performance Measurement Group LLC, a PRTM company

Abstract in English:

Supporting medium-sized industrial companies, introducing improvements at strategic points of their supply chain, and providing advance monitoring of their complete investment and operational costs for new business application software – these are the areas where Berlin-based PSI AG is intensifying its efforts. In cooperation with the Institute of Business Information Technology (Institut für Wirtschaftsinformatik) at Humboldt University in Berlin, the third-largest independent German software company has developed a comprehensive neutral consulting, analysis and service package for business process management and opportunity analyses on the basis of the Supply Chain Operation Reference Model (SCOR). This makes it possible to obtain specific measurements of quantitative as well as qualitative features of the business processes and to determine the overall performance of a supply chain.

Veröffentlichungen in: „IT-Management“, „Produktion“, „Deutsche Logistik-Zeitung (DVZ)“ und „Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb (ZWF)“

© Harald Lutz 2005
 


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